Eine äusserst wertvolle Dienstleistung

Der langjährige Redaktionsleiter der Schweizerischen Kirchenzeitung (SKZ), Rolf Weibel, erinnert sich an die Synode 72. Die SKZ dokumentierte damals den ganzen synodalen Prozess.

Als Theologiestudent ärgerte ich mich über die konfessionelle Enge in unserer Kirche. Ich nahm aber auch wahr, dass die ökumenische Bewegung von namhaften katholischen Theologen unterstützt wurde. Nach der Ankündigung eines Ökumenischen Konzils 1959 wurde das ökumenische Anliegen zunehmend thematisiert.

Ein Jahrzehnt später beschloss die Schweizer Bischofskonferenz, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils auf dem Weg koordinierter Diözesansynoden umzusetzen. Im Sommer 1971 wurde ich in eine Vorbereitungskommission der Synode 72, in die interdiözesane Sachkommission «Ökumenischer Auftrag in unseren Verhältnissen» berufen. Um die kirchliche Öffentlichkeit möglichst breit einzubeziehen, erarbeiteten wir zunächst einen Fragebogen, den wir unter dem Signet «Synode 72» im Januar 1973 in der SKZ veröffentlichen konnten. Die Bereitschaft der SKZ, alle Texte der Synodenvorbereitung zu dokumentieren, lernten wir als unersetzliche Dienstleistung schätzen.

Knapp zwei Jahre später wurde ich zum Hauptredaktor der SKZ gewählt. Von da an galt meine Aufmerksamkeit der Synodenbewegung insgesamt und allen Themen der Synode 72 gleichermassen. In der SKZ wurde nicht nur über die Vorbereitungsarbeit und die Verhandlungen der Synodenversammlungen in der Schweiz berichtet. Die Verantwortlichen der Synode 72 berichteten als Gäste der gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, der Pastoralsynode der Jurisdiktionsbezirke in der DDR oder des Österreichischen Synodalen Vorgangs von ihren Besuchen. Dazu kamen Berichte von den internationalen Studientagungen über Synodefragen und dort erarbeitete Texte.

Wer sich für die Synode 72 engagierte, war von einer Aufbruchstimmung getragen, die sich auf das Konzil abstützen konnte: die Kirche sei zu einer dauernden Erneuerung ihrer Lebensäusserungen gerufen, und Momente dieser Erneuerung seien schon jetzt «die biblische und liturgische Bewegung, die Predigt des Wortes Gottes und die Katechese, das Laienapostolat, neue Formen des gottgeweihten Lebens» usw.1 Für die Synode 72 engagierten sich nicht nur die Kommissionsmitglieder und die Synodalinnen und Synodalen, sondern auch die Verantwortlichen ganz unterschiedlicher Institutionen.2

Es gab auch Einzelne und Gruppierungen, welche eine Erneuerung ablehnten. Ihre polemischen Äusserungen veranlassten die Bischöfe der deutschsprachigen Schweiz, die Arbeiten der Synode 72 in Schutz zu nehmen. Sie bedauerten, dass die Zeitschriften und Flugblätter dieser Kreise «die Synodenarbeit in den verschiedenen Bistümern der Schweiz und die Mitarbeit der Laien zum vornherein in Misskredit bringen.»3 Die grosse Mehrheit des Kirchenvolks zeigte jedoch kaum Interesse. Denn gefragt war eine gewisse aktive Beteiligung.

Wer sich beteiligte, konnte Synodalität konkret erfahren. So erklärte in der Novembersession 1974 der Diözesansynode Basel Bischof Anton Hänggi, er könne dem zur zweiten Lesung vorgeschlagenen Text «Ehe und Familie im Wandel der Gesellschaft» nicht zustimmen. Ihm erschienen die Ausführungen zum Thema «voreheliche sexuelle Beziehungen» missverständlich; er begründete seinen Entscheid, machte Änderungsvorschläge und beantragte eine gemeinsame Überarbeitung des Textes. Es blieb einen Augenblick still, dann applaudierte die ganze Versammlung und bestellte eine Einigungskommission, die den Text zu überarbeiten hatte. In wenigen Monaten erarbeitete diese einen Text, der an Qualität gewonnen hatte und dem beide Seiten zustimmen konnten. Wer Synodalität so erleben konnte, hat erfahren, wie Synodalität nicht nur ein Verfahren, sondern weit mehr noch eine spirituelle Dimension von Kirche ist.

Rolf Weibel

 

1 Dekret über den Ökumenismus, 6.

2 Zum Beispiel die katholischeniInternationale Presse-Agentur (KIPA) mit ihrem Sonderdienst oder die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (KAGEB) mit ihrer «Drehscheibe Synode 72». Siehe: Weibel, Rolf, Beteiligung der Öffentlichkeit an der Synode 72, in: SKZ 180 (2012), 620–627 (s. Bonus zum Download).

3 Erklärung der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz zur innerkirchlichen Auseinandersetzung in der deutschsprachigen Schweiz, in: SKZ 141 (1973), 346 (s. Bonus zum Download).

 


Rolf Weibel

Dr. theol. Rolf Weibel (Jg. 1939) studierte Kulturwissenschaften und promovierte 1971 in katholischer Theologie. Er war von 1974 bis 2004 Redaktionsleiter der Schweizerischen Kirchenzeitung.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

Dokumente