An Ostern wird die Auferweckung in ein neues, anderes Leben gefeiert. Auferweckung wohin? Wie sieht es aus mit dem Himmel, mit dem ewigen Leben? Eine legendäre Erzählung macht sich darauf einen lateinischen Reim: Zwei Mönche*, die das Leben nach dem Tod lebhaft fantasierten, versprachen sich, dass der zuerst Gestorbene dem anderen im Traum erscheinen und dann mit einem einzigen Wort verraten sollte, wie es drüben sei: «taliter», wenn es so sei, wie spekuliert; «aliter», wenn es anders wäre. Also: «taliter/es ist so» oder «aliter/es ist anders». Zurückgekommen aus der anderen Welt, verrät der Erstverstorbene mit einer Kombination und Erweiterung der zwei Wörter: «to-taliter aliter». Es ist vollkommen anders, «totaliter aliter». Mehr als ein Wortspiel. Ein Wink aus der anderen Welt, dass sie anders ist, ganz anders – unsere Vorstellungen hingegen immer nur Annäherungen.
Ein Himmel zum Reissausnehmen
Annäherungen also wären «taliter»: Es ist so, wie vorgestellt. Im Volksglauben sind diese Vorstellungen oft gar nicht allzu spekulativ als vielmehr Verlängerungen, blosse Verlängerungen vom Diesseits ins Jenseits. Das ewige Leben: unser gewohntes Leben – einfach ewig.
Aber solch ein Himmel, die Verlängerung des Altbekannten in alle Ewigkeit, ist kaum himmlisch: «Der Himmel des Menschen ist wie er selbst: befremdlich, interessant, erstaunlich, grotesk.» So formuliert Satan in einem Brief an seine Erzengelkollegen; es ist eine bitterböse Satire aus dem Nachlass Mark Twains1. Die Jenseitsvorstellung des Menschen, sein Himmel, bestünde ganz und gar «aus Zeitvertreiben, die ihm hier auf Erden fast gar nichts bedeuten», und Satan wundert sich: «dennoch ist er [der Mensch] zuversichtlich, dass er sie im Himmel mögen wird. Ist das nicht merkwürdig?» Für 49 von 50 Menschen sei der Gottesdienstbesuch am Sonntag langweilig und öde, am Choralgesang erfreuten sich im Diesseits die wenigsten, im Himmel wundersamerweise plötzlich alle. Satan spottet: «Und alle bleiben, während ein solcher Ort auf der Erde nach zwei Stunden leer gefegt wäre.» Ein Himmel, wie er bepredigt wird, zum Reissausnehmen.
Zur tödlichen Langeweile verlängert
Was bei Mark Twain anskizziert ist, malt sich Esther Vilar in «Die Erziehung der Engel»2 detailliert aus. Ihr Buch, ein oft bitterböses Pamphlet, trägt den Untertitel: «Wie lebenswert wäre das ewige Leben?». Minuziös listet sie auf, wie das, was wir auf Erden mögen und wollen, verlängert in alle Ewigkeit zur tödlichen Langeweile wird – nur dass dann eben davon kein Tod erlöst. Es gibt «nur einen Gedanken, der noch erschreckender ist als der an den Tod: jener, dass man nicht mehr sterben darf.» Anders gesagt: ewig leben muss. Ein Leben nach dem Tod, so Vilars Fazit, ein ewiges Leben könne sich nur wünschen, wer sich dieses nicht in allen Details und jeder Konsequenz ausmale. Ihr geht es in der Folge um ein Leben vor dem Tod, und sie stellt maliziös fest: Ein Paradies auf Erden scheitere an jenen, die an ein Paradies im Himmel glaubten und alles dafür täten, dahin zu kommen.
Sicher, die fromme Vorstellung des Himmels als ein ewiger Gottesdienst, so Twains komödiantische Beobachtung, ist wenig sexy, und Vilars Verlängerungen irdischer Vergnügungen in alle Ewigkeit verkommen zu höllischem Leerlauf.
Beide Vorstellungen zeigen, ein ewiges Leben wäre weder aliter, ganz anders als gewohnt, noch taliter, alles bleibt, wie es ist, wünschenswert. Gleichwohl sind diese literarischen Skizzen hilfreich, allzu volkstümliche Vorstellungen zu hinterfragen. Wo die Schriftsteller allerdings behaupten, theologische Aussagen zu kritisieren, kennen sie differenzierte theologische Fragestellungen kaum. Und die Frage nach dem Wie und Wohin einer Auferweckung, diese Frage muss als grosses Totaliter-Aliter offenbleiben.
Thomas Markus Meier