Der Mensch trifft bis zu 100'000 Entscheidungen täglich. Die meisten davon glücklicherweise unbewusst. Ansonsten wäre er komplett überfordert und könnte nebenbei nichts anderes tun. Bewusste Entscheidungen treffen, kann herausfordernd sein. Das trifft auf Einzelne zu, wie auf Menschen in führenden Positionen, für alle die Verantwortung tragen und auch für religiöse Gemeinschaften. Die derzeitige Pandemie führt uns dies sehr deutlich vor Augen.
Die einen treffen Entscheidungen aus dem Bauch heraus und schwören darauf. Andere entscheiden mit dem Kopf, schlafen zwei Mal darüber und sind sich ebenso sicher, die richtige Entscheidung zu treffen. Wieder andere suchen Rat, tauschen sich aus und hoffen, so die richtige Entscheidung zu finden. Wie aber werden in religiösen Gemeinschaften Entscheidungen getroffen? Wie treffen wir als Pallottiner Entscheidungen? Im Gesetz der Gesellschaft des Katholischen Apostolates heisst es in Nr. 93:
«In dem Bewusstsein, dass Christus in ihrer Mitte ist, erwägen sie die anstehenden Fragen persönlich und gemeinsam vor Gott. Bei ihren Entscheidungen streben sie soweit wie möglich Einstimmigkeit an.»
Dieser Artikel in unserem Gesetz lehnt sich stark an ein Wort des heiligen Vinzenz Pallotti an, der geschrieben hat:
«Bevor wir irgendein Werk beginnen, aber bei jedem einzelnen Werk sowie in den verschiedenen Situationen des Tages sollen wir darüber nachdenken, wie unser Herr Jesus Christus denken oder sprechen oder vorgehen würde.»
Das ist ein hoher Anspruch, das ist ein Ideal. Doch selbst wenn ich oft hinter diesem Ideal zurückbleibe, lohnt es sich davon auszugehen und dieses Ideal als Vorbild zu nehmen. Der Gedanke: Wie würde Jesus handeln? Was würde er tun? Wie würde er auf einen Menschen zugehen? Was würde er sagen? Und wie würde er es sagen? Ein solches Handeln kann tatsächlich zum Massstab werden, welcher das eigene Handeln und Entscheiden weitgehend prägt. Dazu braucht es ehrlicherweise aber nicht das Gesetz einer Gemeinschaft, sondern viel mehr die feste innere Überzeugung jedes Einzelnen.
Wenn uns das Gesetz vorgibt, anstehende Fragen persönlich und gemeinsam vor Gott zu erwägen, zeigt die Praxis, dass gerade das Gemeinsam-vor-Gott-bringen, bei kritischem Blick, zu selten gelebt wird. Selbstverständlich gehört es dazu, eine gemeinsame Sitzung oder eine Versammlung mit einem Gebet und dem fürbittenden Ruf an die Königin der Apostel, den Gründer, den heiligen Vinzenz Pallotti, und den Provinzpatron, den heiligen Bruder Klaus, zu beginnen. Doch reicht das? Unterscheiden wir uns damit als religiöse Gemeinschaft von anderen? Oder tun dies nicht ganz viele Menschen, die nicht in einer religiösen Gemeinschaft leben?
Wichtige Entscheidungen in der Gemeinschaft sollten, wenn immer möglich, in Einstimmigkeit gefällt werden. Das bedeutet nicht, dass man um Entscheidungen nicht ringen darf oder soll. Doch Entscheidungen, die gemeinsam getroffen und von allen mitgetragen werden, verbinden und stärken letztendlich die Gemeinschaft. Dafür lohnt es sich, Entscheidungen gut zu prüfen.
Andy Givel*