Humor in den Religionen

Humor ist menschlich und wirkt befreiend. Doch im Zusammenhang mit dem Glauben scheint er in einem Graubereich zu verschwinden.

Am 7. Januar 2015 wurde in Paris ein Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo verübt. Zwölf Menschen fanden dabei den Tod. Ursache dieser schlimmen Tat waren Karikaturen über den Islam in dieser Zeitschrift. So schrecklich diese Tat auch war, Charlie Hebdo muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie mit bösen, aggressiven und oft auch hässlichen Zeichnungen Menschen verletzt. Dabei beschränkt sich Charlie Hebdo nicht auf den Islam, sondern karikiert gern auch christliche Werte im Allgemeinen und den Papst im Besonderen. Ein Cartoon mit anal vereinigtem Gott, Jesus und Heiligem Geist ist nicht lustig.1 Es kann sich die Frage stellen, ob sich Religion und Humor überhaupt vertragen.

Humor hat sehr wohl seinen Platz in den Religionen. Der Unterschied liegt im jeweiligen Umgang mit den heiligen Werten und den religiösen und kulturellen Normen. Zudem ist wichtig, zu wissen, wer über wen oder was Witze macht. Wenn ein Kapuzinerpater Witze über Kapuziner in Umlauf bringt, zeigt das kritische Selbstironie. Wenn hingegen Karikaturisten, die nicht katholisch sind, den Papst oder Nichtmuslime Mohammed karikieren, wirken die Produkte schnell einmal plump und diffamierend.

Judentum ohne Humor ist schwierig

«Gott lacht mit seinen Geschöpfen, nicht über seine Geschöpfe», so steht es im Talmud. Dies scheint eine wichtige Voraussetzung für viele Formen jüdischen Humors zu sein. Mithilfe von Spott, Respektlosigkeit, schwarzem Humor und bissiger Kritik ist er fast immer eine Verteidigung der Menschlichkeit gegen jede Ideologie, Gewalt und engstirnige Gesetzlichkeit.2

Christentum ohne Berührungsängste

Hat Gott Humor? Dazu meinte der Reformator Martin Luther: «Wenn Gott keinen Spass verstünde, so möchte ich nicht im Himmel sein.» Wie sollte Gott keinen Humor haben, er hat ihn schliesslich erfunden! Auf jeden Fall muss Gott genug Spass verstehen, um uns zu erlauben, ihm Humor zuzuschreiben. Wie steht es mit Jesus? Humor im Sinn, dass er schenkelklopfend Witze erzählt hätte, hatte er wohl kaum, aber dass er ein Sauertopf war, kann sicher ausgeschlossen werden. Immerhin hat er sich mit allen möglichen und auch unmöglichen Menschen eingelassen und zum Beispiel an der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein verwandelt (Joh 2,1–11).

Bei der Frage, ob Christinnen und Christen Humor haben, stellt sich gleich die nächste Frage: Welche meinen wir? Der Humor ist in den verschiedenen christlichen Gemeinschaften unterschiedlich. In ihr und über die römisch-katholische Kirche bieten innerkirchliche Probleme Stoff für Karikaturistinnen und Karikaturisten. Der überraschende Rücktritt von Papst Benedikt befeuerte deren Kreativität. Die evangelischen Kirchen haben keinen Papst, dafür Predigten, die zu lang sind. Die Zeugen Jehovas finden bei Humoristen vor allem durch ihr Missionieren Beachtung.

Manche Kirchgemeinden, Kirchen und kirchlichen Stellen haben in ihren gedruckten Publikationen oder auf ihren Internetseiten Witzecken oder Witzseiten. So zum Beispiel der reformierte Kirchenbote, aus dem dieses Beispiel stammt: «Warum hat Gott zuerst Adam und danach erst Eva erschaffen?», fordert ein konservativer Professor eine Theologiestudentin bei einer Prüfung heraus. «Es wird dem Herrgott wohl so ergangen sein wie mir», antwortet die Studentin. «Wenn ich einen Brief schreiben muss, sudle ich zuerst etwas hin und danach setze ich den Brief richtig auf.»

Spiegel der Gesellschaft im Islam

Am 30. September 2005 erschienen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten Mohammed-Karikaturen. Sie lösten Demonstrationen und gewalttätige Ausschreitungen aus. Auf dem Hintergrund der Diskussionen und der Ausschreitungen könnten wir annehmen, dass der Islam keinen Humor kennt. Doch in der islamischen Kultur gibt es Humor. Viele Menschen muslimischen Glaubens haben auch das Bedürfnis, zu lachen oder sich über Zustände, die sie nicht ändern können, lustig zu machen. Zahlreiche Sufi, islamische Mystiker, benutzen den Humor, um den Menschen einen Spiegel vorzuhalten. Obwohl manche Witze recht derb wirken, gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. So sind weder Allah/Gott noch die Propheten – Mohammed und die biblischen Propheten – Inhalt der Witze. Wie in zahllosen Kulturen gibt es auch im Maghreb eine Person, auf die vieles projiziert wird: Nasredin Hodscha ist ein Synonym für Schlitzohrigkeit und Bauernschläue. Ihm werden viele Witze und Anekdoten zugeschrieben. Ein Beispiel: Nasredin, der schon als Muslim geboren wurde, trifft einen Konvertiten und fragt ihn: «Hast du geweint, als du Muslim wurdest?» «Ja, das habe ich.» Nasredin ganz aufgeregt: «Ich auch! Ich auch!»

Humor in Indien

In Indien ist der Hinduismus die vorherrschende Religion, gefolgt vom Islam, dem Christentum und dem Buddhismus. Auch in Indien wird gelacht. Der unbefangene Umgang mit bildlichen Darstellungen ist auffallend; ob Götter oder weltliche Themen spielt keine Rolle. Alles kann gezeichnet oder gemalt werden. So gibt es die Comichefte Amar Chitra Katha. Mit Ausnahme des Islams werden in den mehreren Hundert Heften alle Religionen Indiens behandelt. Die religiösen Epen Mahabharata und Ramayana werden neben den Tinkle-Comics für Kinder angeboten. Humor finden wir dabei z. B. im Heft «Krishna». Hier wird anschaulich geschildert, wie der jugendliche Gott mit seinen Spielkameraden Butter stiehlt. Die Kinder bilden eine Pyramide, sodass Krishna zu den unter der Decke aufgehängten Töpfen gelangen kann. Es gibt eine Unmenge von Hindu-Witzen. Selbstironisch werden religiöse Themen persifliert: Kastenwesen, Meditation, heilige Kühe, Götter, Wiedergeburt. Ein Beispiel: Zwei Männer treffen sich. Fragt der eine: «Was macht Ihr Sohn? Hat er immer noch keine Arbeit?» «Nein, aber er meditiert.» «Meditieren, was ist das?» «Ich weiss es nicht. Aber es ist besser als herumzusitzen und nichts zu tun!»

Die Zwei-Prozent-Minderheit der Sikhs wird mit den «Sardar Jokes» gutmütig bis bösartig ins Lächerliche gezogen. Sikhs gelten in Indien als hart arbeitend und mit Unternehmergeist gesegnet – sie bilden eine der erfolgreichsten Minderheiten des Landes. Dass sie als Zielscheibe des Humors dienen, nehmen die meisten Sikhs achselzuckend zur Kenntnis. Eine Minderheit der Sikhs gelangte jedoch 2017 an das höchste Gericht Indiens mit der Forderung nach einem Gesetz, das Witze verbietet, die Angehörige einer Gemeinschaft in ein schlechtes Licht rücken. Ein Urteil ist bis heute ausstehend. Der bekannte Schriftsteller Khushwant Singh, selbst ein Sikh, ging die Sache anders an. In seinen neun «Khushwant Singh's Joke Books» sammelte er nicht nur allgemein indische Witze, sondern schrieb selber bissige Sikh-Witze.

Humor als Waffe

Die Grenzen zwischen harmlosem Humor und bösartigen Witzen und Karikaturen sind fliessend. Dient der Humor normalerweise der Unterhaltung, wird er im zweiten Fall zur Waffe. Bereits in der Reformationszeit wurde die Karikatur von allen Seiten in Originalzeichnungen, Holzschnitten, Kupferstichen, zur Illustration der Flugschriften und Bücher, ja sogar in Gemälden und Medaillen als geistige Waffe benutzt.3 Oft ist der Humor die einzige Möglichkeit, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen. In jüngster Zeit wehrten sich z. B. Muslime mit Satirevideos gegen die IS-Schlächter.4 Mit Humor und Sarkasmus werden oft auch Missstände angeprangert.

Es gibt aber wie eingangs geschildert auch die andere Seite. «Humor» ist wahrscheinlich der falsche Begriff, richtiger wäre «sich lächerlich machen über». Die meisten professionellen Karikaturisten – die meisten sind Männer – erhalten kurzfristig den Auftrag, eine Situation oder ein Ereignis humoristisch zu illustrieren, ohne dass eine böse Absicht dahinter zu sein braucht.

Christoph Peter Baumann

 

1 Charlie Hebdo, Nr. 1044, 7.11.2012.

2 Der Humor im Judentum ist Gegenstand des Interviews mit Alfred Bodenheimer in dieser Ausgabe.

3 Thulin, O., Art. Karikatur, in: RGG3 3 (1959), 1147-1148.

4 Blick, Ausgabe vom 30.9.2014.

Buchempfehlung: «Humor und Religion. Worüber man lacht − oder besser nicht». Von Christoph Peter Baumann. Stuttgart 2008. ISBN 978-37831 31215, CHF 15.–. Bezug nur noch über Autor möglich: www.manava.ch

 


Christoph Peter Baumann

Christoph Peter Baumann (Jg. 1947) studierte Theologie, Religionswissenschaft und Indologie an der Universität Basel und absolvierte die Ausbildung zum Erwachsenenbildner. Er ist Gründer von INFOREL - Information Religion - und Autor mehrerer Bücher.

 

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