Das Thema dieser SKZ-Ausgabe ist mir wichtig. Wir haben im Bistum und auch in der katholischen Kirche der Schweiz während der letzten Monate viel Kraft und Energie in die Aufarbeitung dieser schwierigen Fragen investiert. Ich hoffe, wir finden gute Wege in den noch ungelösten Herausforderungen.
Doch im Moment beschäftigt mich im Bistum vor allem meine persönliche Situation. Der 75. Geburtstag ist ein wichtiger Meilenstein im Bischofsamt. Ich habe Papst Franziskus gemäss CIC meinen Amtsverzicht angeboten. Geschrieben habe ich den Brief am Fest des Apostels Jakobus. Er ist Patron der Pilger und Pilgerinnen. Ich brauche ihn jetzt für die ungewisse «Pilgerzeit», die vor mir liegt. Ja, er begleitet gut: Postwendend kam die Antwort aus Rom: «Du bleibst als Bischof im Amt, bis der Nachfolger vom Hl. Vater ernannt wird. Das Domkapitel soll aber gemäss St. Galler Konkordat mit dem Prozess der Listenerstellung beginnen.» Das ist unser Privileg: Das Domkapitel darf aus der Schar unserer Priester eine Sechserliste präsentieren und aus der von Rom geprüften Liste wählen. Die Abläufe sind geklärt. Nun beten wir, dass der Hl. Geist alle beteiligten Entscheidungsträger unterstützt.
Momentan läuft eine breite Konsultation im Bistum. Möglichst viele Gruppen sollen in den Prozess eingebunden sein. Es ist für das Domkapitel wichtig, zu hören, welche Erwartungen Gläubige heute an ihren Bischof haben. Ganz im Geist einer «synodalen Kirche» beschäftigen sich so viele Menschen in den Pfarreien und Gremien mit den Aufgaben eines Bischofs. Der neue Amtsträger wird darauf angewiesen sein, dass gute Mitarbeitende und Engagierte auf allen Ebenen der Kirche seinen Dienst mittragen. Wie wichtig dies ist, durfte ich während meiner Amtsjahre immer wieder erfahren. Dafür bin ich sehr dankbar.
Der Dienst des Bischofs spielt auf verschiedenen Ebenen, die oft schwer miteinander zu koordinieren sind. Das Bistum mit den Pfarreien, die Schweizer Bischofskonferenz mit Kommissionen, das duale System und das weltweite Bischofskollegium unter der Leitung des Papstes haben verschiedenste Erwartungen an den Bischof. Die Arbeit ist sehr vielfältig und interessant. Doch die Sehnsucht nach etwas mehr Planungsfreiheit und nach persönlicher Zeit habe ich auch immer wieder gespürt. Deshalb freue ich mich, bald wieder freier und selbstbestimmter die Tage gestalten zu können.
Vor einigen Tagen bin ich auf einen Text des hl. Bernhard von Clairvaux gestossen, der mich sehr angesprochen hat. Im Bild von «Schale und Kanal» spricht er ein Thema an, das für alle Seelsorgenden mit dicht gefüllten Agenden zentral ist. Diese weisen Worte möchte ich meinem Nachfolger ganz besonders ans Herz legen und ihm sagen: «Nimm die neue Aufgabe mit Vertrauen und Freude an. Vergiss aber in der Fülle der Anforderungen nicht, was Bernhard von Clairvaux uns allen sagt: «...sei vernünftig und ahme wie die Quelle die Schale nach».
Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal,
der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt,
während jene wartet, bis sie gefüllt ist.
Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfliesst, ohne eigenen Schaden weiter.
Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugiessen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.
Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen, und dann ausgiessen.
Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen.
Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.
Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut?
Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle,
wenn nicht, schone dich.
(Bernhard von Clairvaux)
+Markus Büchel, Bischof von St. Gallen