Zu seiner aktuellen Anstellung als Pastoralamtsleiter kam Franz Kreissl durch das Projekt «He! Was glaubst du?». In dieser Arbeitsgruppe arbeitete er mit Markus Büchel zusammen. Als dieser Bischof wurde, ernannte er Kreissl zu seinem Nachfolger im Pastoralamt. «Dass ich als Diakon nicht alle Funktionen übernehmen konnte, war vielleicht gar nicht so schlecht. Dadurch hat sich das Pastoralamt als eigene Grösse neu entwickelt», meint Kreissl.
Sitzungen als geistliche Aufgabe
Als Pastoralamtsleiter ist Franz Kreissl u. a. zuständig für die Abteilungen Pastorale Entwicklung und Beratung, Religionspädagogik, Spiritualität und Bildung sowie Weltkirche. Dazu kommen noch diverse Fachstellen. Es war die Idee von Bischof Markus, die Fachstellen an das Pastoralamt anzubinden. Kreissl ist überzeugt, dass diese Struktur der Gesamtpastoral förderlich ist. So gab es bereits gemeinsame Projekte wie z. B zwischen den Fachstellen DAJU und PEF, also kirchliche Jugendarbeit und Partnerschaft–Ehe–Familie. Diese Vernetzung bedeutet aber auch viele Sitzungen. Er habe schon früh in seinem Leben gelernt, dass Sitzungen in erster Linie Begegnungen seien, erklärt Kreissl. Somit sehe er jede Sitzung auch als eine geistliche Aufgabe. Er vertraut dabei auf die Wirkung des Geistes in einer Gruppe. «Auch dort, wo ich mit einer grossen Ratlosigkeit hineingehe, merke ich, dass bei einer guten Offenheit für einander, für das, was Gott uns in dem Moment zeigen will, etwas Neues entstehen kann – unter Umständen völlig unerwartet.»
Kreissl, der auch eine pastoralpsychologische Beraterausbildung absolviert hat, ist neugierig auf Menschen. «Ich bin wahnsinnig interessiert an Menschen. Und wenn jemand etwas sagt, was ich nicht verstehe, versuche ich herauszufinden, warum er das sagt und in diesem Moment bin ich in seiner Geschichte. Ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass Theologie viel mit Biografie zu tun hat und Biografie mit Theologie.» Es wundert deshalb nicht, dass Kreissl selbst konfliktreichen Situationen etwas Positives abgewinnen kann.
In diesem Jahr kann er sich auf viele interessante Gespräche freuen. Im Zusammenhang mit dem Projekt Neuland wird sein Team fast alle Seelsorgeeinheiten des Bistums besuchen und sich mit Hauptamtlichen, Behörden und Freiwilligen über die konkrete Situation vor Ort austauschen. Dahinter steht die Frage, wie die Menschen in einer Seelsorgeeinheit trotz der Grösse des Gebiets die Nähe der Kirche erfahren können. «Für diese Nähe sind nicht mehr einfach nur die Hauptamtlichen zuständig, sondern auch die Freiwilligen; die getauften Männer und Frauen sind da wichtige Träger», erklärt Kreissl. Er ist davon überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt und dass das Bistum von den Erfahrungen der Menschen lernen kann.
Entspannt bei Spannungen
Seine Familie ist ihm wichtig; der Kontakt zu seinen vier Kindern und sechs Enkeln ist zurzeit Covid-19-bedingt leider eingeschränkt. Auch sein Traum, die Menschen, die er im Laufe seines Lebens kennengelernt hat, auf einer Reise durch Europa zu besuchen, muss warten. Entspannen kann Kreissl sich beim Krimi-Lesen. Da er hier noch analog unterwegs ist, stehen die Bücher im Regal inzwischen zweireihig; dazwischen finden sich auch Geschichtsbücher. Richtig emotional wird der Passivsportler dagegen beim Fussballschauen. Kreissl liebt die Kirche wegen ihrer Weite und Grösse; hier haben alle «Ketzereien» Platz. Die Spannung zwischen Petrus und Paulus, zwischen Hierarchie und Synodalität war von Anfang an da und Kreissl ist froh um die Charismen, die beide in die Kirche einbringen, im Wissen, dass die Freiheit der Kinder Gottes uns dazu bringt, mit diesen Spannungen umzugehen. Und mit einem Augenzwinkern meint er: «Ich bin nicht nur bis auf die Knochen katholisch, sondern auch hoffnungsvoll.»
Rosmarie Schärer