Im September 2023 beauftragte die Schweizer Kirche die Universität Zürich mit der Durchführung einer Studie, um den Missbrauch innerhalb der Kirche aufzudecken.1 Die Ergebnisse der Pilotstudie verstärkten die Präventionsmassnahmen, die Bischof Charles Morerod in der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg bereits initiiert hatte. Die Massnahmen zielen darauf ab, die kirchliche Kultur zu verändern und Missbrauch zu verhindern, indem das Problem an den Wurzeln angegangen wird.
Für einen kulturellen Wandel
Seit mehreren Jahren setzt sich die Diözese aktiv dafür ein, eine Kultur der systematischen Missbrauchsprävention zu etablieren. Im Jahr 2023 wurde dieses Engagement mit bedeutenden Initiativen fortgesetzt. Sie zielen darauf ab, die Sicherheit aller Personen zu gewährleisten, die mit der Kirche in Kontakt stehen. Eine der wichtigsten Initiativen ist die schon im Mai 2022 erfolgte Gründung des «Bischofsrat Prävention». Seine Aufgabe ist es, den Bischof bei der Umsetzung der Präventionskultur zu unterstützen.
Der Bischofsrat Prävention
Dieser Rat setzt sich aus verschiedenen Mitgliedern zusammen – Priester, Ordensleute, Laien und Experten. Seit September 2023 erarbeitet er, basierend auf einer bereits in der deutschsprachigen Bistumsregion geleisteten Arbeit, einen französischsprachigen diözesanen Verhaltenskodex. Zudem analysiert er Orte und Situationen, die potenziell für Missbrauch anfällig sind. Seine Empfehlungen zielen darauf ab, die Prävention innerhalb der Diözese zu stärken.
Bilden, informieren, handeln: ein klarer Fahrplan
Die Aufgabe des Rates lässt sich in drei Worten zusammenfassen: schulen, informieren, handeln. Es geht darum, eine neue kirchliche Kultur zu schaffen, Risikosituationen zu erkennen und zu verhindern sowie alle Mitglieder der Diözese für diese Herausforderungen zu sensibilisieren. Die Verhinderung von Missbrauch wird nun als kollektive Verantwortung wahrgenommen.
Fortlaufende obligatorische Weiterbildungen
Die Diözese hat in Partnerschaft mit dem «Institut Catholique de Paris» ein Universitätsdiplom «Abus et bientraitance. Écouter, accompagner, prévenir»2 eingeführt. Diese Weiterbildung, die im Oktober 2024 beginnen wird, ist für alle Verantwortlichen in der Diözese, einschliesslich des Bischofs, verpflichtend. Eine systematische Weiterbildung für alle pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird bis 2025 entwickelt sein und Themen wie Menschenwürde und Missbrauchsprävention behandeln.
Informieren um vorzubeugen
Die proaktive Annahme der Schutzrichtlinien ist von entscheidender Bedeutung. Die Diözese arbeitet daran, ihre interne und externe Kommunikation über den Missbrauch zu optimieren. Die Verwaltung des Diözesanarchivs wurde ebenfalls verstärkt, um die Analyse der Akten zu erleichtern und eine konsequente Nachverfolgung der Fälle zu gewährleisten.
Die regionalen «Taskforces»
Diese Teams, die sich aus Diözesanvertretern und anderen Experten zusammensetzen, gehen monatlich problematischen Situationen nach. Sie sorgen so für eine erhöhte Wachsamkeit und ermöglichen damit ein schnelles Eingreifen. Von 2023 bis 2024 konzentrierten sie sich auf sektiererisches Verhalten und Machtmissbrauch sowie auf die Klärung von Situationen aus der Vergangenheit.
Verbesserung der Nominierungsprozesse
Um Missbrauch vorzubeugen, wurden die Verfahren zur Ernennung von Pastoralassistent/-innen verfeinert, wird die Versetzung von Priestern nun strenger überwacht und werden die Vereinbarungen mit ausländischen Bischöfen und religiösen Kongregationen überarbeitet.
Zusammenarbeit mit zivilen Behörden
Die Diözese arbeitet systematisch mit den zivilen Behörden zusammen und berichtet transparent über Missbrauchsfälle, auch über verjährte Fälle. Diese Zusammenarbeit gewährleistet eine faire und sorgfältige Behandlung der gemeldeten Situationen. Die kanonische Bearbeitung der Fälle bleibt jedoch aufgrund der langwierigen Verfahren in Rom eine Herausforderung.
Bearbeitung von Meldungen
Seit der Gründung der CASCE3 im Jahr 2016 wurden 87 Meldungen von Opfern registriert (davon 14 seit September 2023). Alle wurden bearbeitet, wobei zwei Entschädigungsanträge noch am Laufen sind. Meldungen können über verschiedene Kanäle erfolgen, darunter über das LAVI4 oder das CECAR5, an deren Aufbau der Bischof beteiligt war. Die Opfer werden an eine Kontaktperson verwiesen, die ihnen bei der Vorgehensweise behilflich ist. Ein Antrag auf finanzielle Entschädigung wird an die Entschädigungskommission in Zürich weitergeleitet, die im Falle einer Genehmigung die Höhe der Entschädigung festlegt.
Aufgetretene Schwierigkeiten
Die Diözese sieht sich mit Schwierigkeiten konfrontiert, wie z. B. dem Mangel an Informationen über bestimmte anonyme Meldungen und der Vielzahl von Meldestellen in der Schweiz, die den Opfern das Vorgehen erschweren. Der Umgang mit Gerüchten ist ebenfalls eine grosse Herausforderung, mit der auch die zivilen Behörden konfrontiert sind. Ein Projekt für ein nationales Büro soll diese Schritte vereinfachen.
Begleitung nach der Bearbeitung
Die SAPEC-Gruppe6, eine Vereinigung für Missbrauchsopfer, gewährleistet eine kontinuierliche Unterstützung der Betroffenen, unabhängig von ihrer Religion oder Spiritualität.
Die Herausforderungen sind zahlreich, aber wir stellen mit Zuversicht fest, dass die pastoralen Mitarbeiter/-innen zunehmend für Missbrauchssituationen sensibilisiert werden. Die Entschärfung jeglicher Situationen, die innerhalb der Kirche zu Missbrauch neigen, ist ein vorrangiges Anliegen, dem wir uns mit Entschlossenheit widmen.
Mari Carmen Avila*
(Übersetzung aus dem Französischen: SKZ)