Sittener Bischof Jean-Marie Lovey: "Synode bringt Öffnung"

Die dreiwöchige Synode über Ehe und Familie hat erneut die Universalität der Kirche gezeigt, sie brachte uns viele Erkenntnisse – und sie gibt sicher auch der Schweizer Kirche neuen Schwung." Mit diesen Worten würdigte Mons. Jean-Marie Lovey, der vom Schweizer Episkopat zur Ordentlichen Bischofssynode in den Vatikan entsandte Oberhirte von Sitten, vergangenen Samstag die mit Spannung verfolgte, nun abgeschlossene grosse Kirchenversammlung. Ein gutes Klima, der Erfahrungsaustausch mit Bischöfen aus allen Kontinenten und das gemeinsame Ringen um eine zeitgemässe Familienpastoral: Schon dies, so Bischof Lovey, charakterisiere "den Erfolg dieser Synode".

Doch damit nicht genug. Das "Instrumentum laboris", also das von vielen Synodalen als zu sperrig kritisierte Arbeitspaper, sei für den Schlussbericht wesentlich verbessert worden, vor allem durch biblische Bezüge der verschiedenen Analysen und Vorschläge. Deshalb könne man die "Relatio finalis" als durchaus gelungen bezeichnen. Auf die Frage nach einem "roten Faden" des umfangreichen Dokuments, meinte Lovey lächelnd: Das seien eigentlich zwei. Zum einen werde die Bedeutung und Schönheit der christlichen Familie betont – zum anderen die intensive pastorale Begleitung der Familie. "Sie wird heute angesichts der zahllosen Trennungen und Scheidungen mit oft traumatischen Folgen für die Kinder ja immer wichtiger."

Die Arbeit der Synode (mit 270 Bischöfen, ferner 24 Experten und 51 sogenannten "uditori", darunter zahlreichen Ehepaaren) vollzog sich sowohl in der Aula – im Beisein aller und des Papstes – als auch in 13 Sprachzirkeln. Bischof Lovey nahm an dem vom kanadischen Kardinal Gerald Lacroix moderierten "Circulus Gallicus A" teil. Zusammen mit Franzosen, Afrikanern, Kanadiern, einem Syrer und einem Iraner. Dabei wurde den Europäern dieser Gruppe deutlich: Die Unterschiede der politischreligiösen Verhältnisse ganz speziell und der Kulturen generell haben beträchtliche Folgen auch für die Themen Sexualität, Ehe, Familie. So habe ein Ehepaar aus Kamerun, berichtete Bischof Lovey, klipp und klar gesagt, dass man in ihrer Heimat die "westlichen" Ideen von Geburtenkontrolle ablehnt. In dieser Hinsicht klagen die Afrikaner sogar über eine "zweite", nämlich ideologische Kolonisation.

Und die Synodalen aus Nahost? Da verwies der Schweizer Oberhirte besonders auf die Klagen eines (in seinem Sprachzirkel mitwirkenden) iranischen Bischofs. Denn im Iran sind die Christen eine kleine Minderheit; sie brauchen mehr Unterstützung aus dem europäischen Kerngebiet des Christentums. Und Ehen dort sind häufig interreligiös. "Aber wenn ein Moslem eine Katholikin heiratet, muss die Frau zum Islam konvertieren. Religionsfreiheit gibt es bei uns ja leider nicht." Just dieser Missstand wird denn auch in dem am 21. Oktober veröffentlichten Schlussbericht des erwähnten französischen Sprachzirkels A angeprangert. Und zwar im letzten Absatz, der die Kirche auffordert: Ignoriert nicht die Probleme der in Ländern ohne Religionsfreiheit lebenden Familien, der Flüchtlingsfamilien, der Strassenkinder und der sexuell ausgebeuteten Personen! "Ein Appell, den ich voll und ganz unterstütze", sagte Bischof Lovey.

Der Bericht des "Circulus Gallicus A" unterstreicht zwar das Ja all seiner Mitglieder zur katholischen Lehre von der Unauflöslichkeit kirchlich geschlossener Ehen. Doch er deutet den eventuell möglichen Kommunion-Empfang durch wiederverheiratete Geschiedene indirekt an. Mit dem Hinweis auf die Barmherzigkeit Gottes und die persönliche Gewissensentscheidung sowie der Versicherung, dass die Kirchentür auch für Gläubige in irregulären Verhältnissen "offen ist". Und das Verhältnis zu Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren? Bischof Lovey: Er habe in seiner Diözese bereits eine Struktur zur Beratung solcher Personen eingerichtet. Überhaupt sollen in diesen wie in anderen heiklen Fragen die Bischöfe "verantwortungsvoll unterscheiden". Womit ein wichtiges Ergebnis dieser Synode angesprochen ist: Dezentralisierung. Bischof Lovey stimmt jenen Synodalen zu, die das Sprichwort "Roma locuta, causa finita" für überholt ansehen, weil vieles nicht mehr in Rom, sondern in den Ortskirchen erledigt wird. Gleichwohl steht fest, dass die Synode dem Papst nur Empfehlungen geben kann – dann entscheidet er, der Pontifex Maximus.

Überschattet wurde die Synode teilweise durch Affären, die in den Medien Schlagzeilen machten. Erst der Fall eines im Vatikan beschäftigten Prälaten, der sich als Homosexueller outete, die Kurie attackierte und inwischen seinen Job verlor. Dann die Publikation eines von 13 konservativen Kardinälen verfassten vertraulichen Briefes an den Papst mit Kritik an der Synoden-Prozedur. Und schliesslich die falsche Zeitungsmeldung: Ein japanischer Neurochirurg habe bei Papst Franziskus einen (noch gutartigen) Gehirntumor festgestellt. Der Vatikan dementierte sofort. Und viele im Vatikan versammelte Kleriker empörten sich über das "üble Störmanöver". Dazu ein deutscher Kardinal: "Das hat die Synode wahrlich nicht verdient." Stimmt.

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Der Schlussbericht der Bischofssynode 2015 ist in italienischer Sprache abrufbar unter: http://press.vatican.va/content/salastampa/de/bollettino/pubblico/2015/10/24/0816/01825.html

 

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan