Bistum Basel: Eine neue Stelle mit Schwerpunkt Paar- und Familienpastoral
Das nachsynodale Schreiben «Amoris Laetitia» (AL) hat tatsächlich einen Stilwechsel in der Pastoral angestossen. Einen solchen Stilwechsel erreicht man nicht von heute auf morgen. Aber wir sind auf dem Weg:
- Im Herbst 2017 wurde in der Abteilung Pastoral innerhalb des Bischöflichen Ordinariats eine Stelle unter anderem mit dem Schwerpunkt Paar- und Familienpastoral betraut. Das war auf der Ebene des Bistums ein Novum und weist auf die Bedeutung hin, welche die Bistumsleitung der Paar- und Familienpastoral beimisst.
- Ein Stilwechsel äussert sich besonders in der Haltung, mit der Seelsorgerinnen und Seelsorger Familien und Paaren begegnen. Eine Arbeitsgruppe hat unter dem Titel «Für eine vielfältige Familienpastoral» eine gemeinsame Grundhaltung im Bistum Basel erarbeitet. Darin wird festgehalten, dass für das familienpastorale Handeln im Bistum Basel eine mystagogische Grundhaltung leitend sein soll. Darauf aufbauend werden Haltungen für das konkrete Handeln vorgeschlagen.
- Angeregt durch dieses «Haltungspapier», aber auch durch die Zusammenarbeit mit Fachstellen oder mit anderen Partnern vor Ort, begegnen zahlreiche Seelsorgende und Engagierte Familien und Paaren bereits so, wie es der Dreischritt «Begleiten – Unterscheiden – Integrieren» in AL vorschlägt.
- Als Querschnittsthema wirkt dieses pastorale Feld in viele andere hinein. Es geht darum, solche Verknüpfungen zu erkennen – etwa zur Diakonie oder zur Sakramentenpastoral. Es ist ein intergenerationelles Thema und ist nicht zuletzt eng verknüpft mit der Migrations- und interkulturellen Pastoral: Über 40 Prozent der Katholiken und Katholikinnen in der Schweiz haben eine Migrationsgeschichte.
- Familienpastoral ist an verschiedenen Orten neu auf die Tagesordnung gekommen und wird weiterentwickelt – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Familien haben in dieser Krise Enormes geleistet, vom Sicherstellen des Homeschoolings bis zur emotionalen Bewältigung der Krise. Die aktuellen Erfahrungen haben aber nicht nur die gesellschaftliche Bedeutung von Familien gezeigt. Sie haben auch deutlich gemacht, dass Familien eine zentrale Rolle als Hauskirche spielen. Diese Rolle ist für viele noch neu und ungewohnt. Sie muss unterstützt und gefördert werden. Familienpastoral bedarf also einer steten Weiterentwicklung – zusammen mit Familien, im Dialog mit Paaren, an manchen Orten in ökumenischer Zusammenarbeit.
Vieles ist also schon passiert, und gleichzeitig wissen wir, dass es noch viel zu tun gibt. Das ist motivierend und spannend. So freuen wir uns schon heute sehr darauf, am 3. Mai 2022 die erste diözesane Fachtagung Familienpastoral durchzuführen und mit vielen pastoralen Mitarbeitenden und weiteren Engagierten ins Gespräch zu kommen.
«Für das familienpastorale Handeln soll im Bistum Basel eine mystagogische Grundhaltung leitend sein.»
Im Herbst 2020 veröffentlichte das Bistum Basel zusammen mit dem Bistum St. Gallen die «Pastoralen Orientierungen» mit dem Titel «Paare und Familien: Kirche und Pastoral betreten ‹Heiligen Boden›».1 Das Wichtigste ist aus unserer Sicht das biblische Bild des «Heiligen Bodens». Mit diesem Bild wird eine theologische und pastorale Vision entfaltet: Dass wir in der Familienpastoral – wie in der Pastoral allgemein – immer mehr eine Haltung einnehmen, die nicht schon alles weiss; die nicht schon weiss, was für das Gegenüber gut und richtig ist, sondern die lustvoll, inspiriert und inspirierend gemeinsamen Such- und Entdeckungswegen vertraut. Es ist eine Haltung, die anerkennt, dass sich im Leben von Paaren und Familien bereits Gottes Gegenwart ereignet. Das gilt es zu entdecken. Familienpastoral kann nur ausgehend von ihren Erfahrungen mit Familien zusammen entwickelt und entfaltet werden. In dieser Perspektive unterstützen die «Pastoralen Orientierungen» Seelsorgende darin, ihr eigenes Tun und vor allem ihre eigene Haltung zu überprüfen. Bei verschiedenen Gelegenheiten bringen wir die «Pastoralen Orientierungen» ins Gespräch. Auch hier gilt: Es geht um einen Perspektivenwechsel, der eingeübt werden will.
Barbara Kückelmann ist als Pastoralverantwortliche in der Abteilung Pastoral im Bistum Basel tätig
Olivia Marsicovetere Karabulut ist in dieser Abteilung Fachmitarbeiterin mit Schwerpunkt Familienpastoral
Bistum Chur: Ehestandards im Baukastensystem
Bei der Veröffentlichung der Standards für die Ehevorbereitung im Bistum Chur (2018)2 betonte Bischof Vitus Huonder, dass er keinen für die ganze Diözese verbindlichen Ehevorbereitungskurs vorlegen wollte, sondern vielmehr die Standards definiert, die zu einer guten, katholischen Ehevorbereitung gehören. Die diözesane Handreichung ist also nicht als Ehevorbereitungskurs zu verstehen und wird auch nicht den Eheleuten in die Hand gegeben. «Vielmehr soll die Handreichung den Verantwortlichen auf den verschiedenen Ebenen des Bistums (Pfarreien, Dekanate, Kantone) als Grundlage dienen, einen Ehevorbereitungskurs zu konzipieren und durchzuführen, welcher der örtlichen Situation und den dort vorhandenen Möglichkeiten sowie Bedürfnissen Rechnung trägt.»
«Die Standards kombinieren lebensgeschichtliche, theoretische und erfahrungsbasierte Zugänge miteinander.»
Die vorliegenden Standards wurden in einem langen redaktionellen Prozess zusammen mit den Räten des Bistums (Priesterrat; Rat der Laientheologen und ständigen Diakonen; Bischofsrat) erarbeitet. Sie entsprechen den vergleichbaren Standards der österreichischen und der deutschen Bischofskonferenz. Gleichzeitig fand der universalkirchliche synodale Prozess zum Thema Familie (2014/15) statt. Die Querverweise zum Nachsynodalen Apostolischen Schreiben (2016) «Amoris Laetitia» (AL) in den einzelnen Bausteinen dokumentieren diese Verbindung. Neben der Begleitung durch die Pfarrei, den verpflichtenden Trauungsgesprächen bei der Aufnahme des Ehedokumentes und der Vorbereitung auf die liturgische Feier der kirchlichen Trauung ist der Besuch eines Ehevorbereitungskurses im Bistum Chur für Brautpaare fester Bestandteil einer umfassenden Trauungspastoral.
Die Standards zur Ehevorbereitung im Bistum Chur sind im Baukastensystem so konzipiert, dass sie den begleitenden Seelsorgerinnen und Seelsorgern Kreativität ermöglichen und Spielraum lassen, je nach Situation eigene Priorisierungen und Anpassungen vorzunehmen. Die Standards kombinieren lebensgeschichtliche und lebenspraktische, theoretische und erfahrungsbasierte Zugänge miteinander, welche Ehe und Familie als einer unbestritten «komplexen Realität» Rechnung tragen. Sie sind so aufgebaut, dass mit ihren einzelnen Bausteinen ein den heutigen Anforderungen entsprechender, auf der Lehre der Kirche basierender Ehekurs zusammengestellt und umgesetzt werden kann. In all diesen Bausteinen geht es um die Vermittlung des katholischen Eheverständnisses und dabei auch um das unterscheidend Christliche (Romano Guardini).
Wir waren überzeugt davon, dass die katholische Kirche auf hohem Reflexionsniveau eine singulär dastehende Konzeption von Leiblichkeit und Sexualität anbietet, welche erfahrungsgemäss regelmässig bei jungen Paaren Erstaunen und Verwunderung über das bislang «nie Gehörte» auslöst. So ist die sogenannte «Theologie des Leibes» inzwischen international zu einem Markenzeichen des katholischen Eheverständnisses geworden. Das Bistum Chur unterstützt auch andere pastorale Initiativen im Bereich der Ehevorbereitung, vor allem die Ausbildung von Mentorenpaaren, die ihre eigene Glaubenserfahrung in der Ehe jungen Paaren weitergeben.
Dr. theol. Marian Eleganti OSB (Jg. 1955) ist emeritierter Weihbischof des Bistums Chur
Bistum St. Gallen: Aufwind für die Paar- und Familienpastoral
Im Nachgang zur Synode 72 schuf das Bistum St. Gallen die Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie (PEF) und erfüllt damit eine zentrale Forderung der beiden Schreiben «Amoris Laetitia» und «Kirche und Pastoral betreten ‹Heiligen Boden›».3 Die Schreiben stärken im Bistum die schon vor Jahrzehnten eingeschlagene Stossrichtung der Pastoral mit Paaren, Familien und Menschen in Trennung-Scheidung.
«Die PEF-Seelsorge gehört selbstverständlicher zum Pflichtenheft der Pastoral.»
Damit diese Ausrichtung in der Pastoral Hand und Fuss bekommt, sind einerseits ein Arbeiten an der Haltung der Engagierten und andererseits Ressourcen auf personeller und finanzieller Ebene nötig. Dies zu fördern ist seit ihrer Errichtung 1984 ein Grundauftrag der Fachstelle PEF.
Die beiden Schreiben geben diesem Grundauftrag zusätzliches Gewicht. Konkret bedeutet dieser päpstliche und bischöfliche Rückenwind in unserem Bistum:
- Die PEF-Seelsorge kann nicht mehr so leicht als «nice to have» vom Tisch gewischt werden. Engagierte in der PEF-Seelsorge, zum überwiegenden Teil Frauen, bekommen mehr Wertschätzung für ihr verbindliches Engagement für Familien, Paare und Menschen in Trennung-Scheidung.
- Die PEF-Seelsorge gehört selbstverständlicher zum Pflichtenheft der Pastoral. In den letzten Jahren ist es uns gelungen, in fast allen 33 Seelsorgeeinheiten des Bistums hauptamtliche Ansprechpersonen für das Ressort PEF zu finden. Diese unterstützen wir regelmässig mit Anregungen und Tipps für die konkrete PEF-Seelsorge. Zudem laden wir sie jährlich zu einem Treffen ein, um mit konkreten Praxisbeispielen Projekte in anderen Seelsorgeeinheiten anzuregen. Damit stärken wir den Austausch und die Vernetzung unter den Ressortbeauftragten und zugleich fördern wir die PEF-Seelsorge mit innovativen Projekten.
- Die Einsicht wird gestärkt, dass die Pastoral mit Angeboten im Bereich Partnerschaft-Ehe, Familie und Trennung-Scheidung nahe an zentralen Themen der Menschen ist, die sich fragen: Wie können wir gute Eltern sein und unseren Kindern Werte vermitteln, die sie im Leben tragen? Wie gelingt es uns, unsere Beziehungen in den Herausforderungen des Alltags lebendig zu gestalten? Was hilft uns, wenn unsere Ehe in die Brüche geht? Um nur einige der Fragen zu nennen, die Paare und Familien beschäftigen und auf die wir in der PEF-Seelsorge im gemeinsamen Suchen immer wieder spannende, innovative und ermutigende Antworten, auch aus der christlichen Spiritualität, finden.
- Die Beziehung wird als Grundlage der PEF-Pastoral betont. Auf Augenhöhe in Beziehung zu sein mit Eltern und Grosseltern, mit Paaren und mit Menschen in Trennung und Scheidung ist seit jeher die Grundlage einer PEF-Pastoral, die Menschen dient und ihnen Lebenshilfe ist. Dies anerkennen die beiden Schriften ausdrücklich und wertschätzen das alltägliche Engagement von Familien, Generationen und Paaren als «heiligen Boden».
Dem Wert und der Grundausrichtung der PEF-Seelsorge im Bistum St. Gallen geben die päpstliche und die bischöfliche Schrift Aufwind. Dies freut und ermutigt uns, konkrete Folgerungen in der Seelsorge vor Ort, im Bistum und darüber hinaus zu fördern und einzufordern zum Wohle von Familien, Paaren und Menschen in Trennung-Scheidung.
Madeleine Winterhalter und Matthias Koller Filliger von der Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie des Bistums St. Gallen