Eine alte Lebensform neu entdeckt

1970 wurde die Jungfrauenweihe für Frauen, die in der Welt leben, wieder eingeführt, nachdem sie jahrhundertelang verboten war; eine Lebensform, die aktiv und kontemplativ zugleich ist.

Paulus lobte die Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen. Auch Ps.-Clemens, Tertullian, Cyprian oder Methodius von Olymp schrieben über sie und reihten dabei deren Wertschätzung gleich nach dem Blutzeugnis ein. Und bereits die «Traditio apostolica» (210–235) betrachtete die Jungfrauen als öffentlichen Stand.

Lange unsichtbar, aber stets tradiert

Ein literarisches Zeugnis über eine Jungfrauenweihe gibt uns der heilige Ambrosius in «De virginibus ad Marcellinam sororem», III,1 (377). Die «Consecratio virginum» war ein dem Bischof vorbehaltener Gottesdienst, der gewöhnlich an Festtagen stattfand. Nach dem Wortgottesdienst nahm der Bischof das Gelübde entgegen, sprach das Weihegebet und überreichte als ausdeutendes Zeichen den Schleier.1

Nach dem Erstarken des monastischen Lebens ab dem 7. Jahrhundert lässt sich die Weihe für Jungfrauen in der Welt resp. im Kloster noch bis ins 10. Jahrhundert nachweisen. Die Weihe ausserhalb eines Konvents verlor immer mehr an Bedeutung und das Zweite Laterankonzil 1139 beschloss «zu dieser verderblichen und abscheulichen Gewohnheit gewisser Frauen, die von aller Welt für Gottgeweihte gehalten werden wollen, obwohl sie weder nach der Regel des heiligen Benedikt noch des Basilius oder des Augustinus leben […] dass sie beseitigt werde» (Conc. Lateranense II, c. 26). Die Jungfrauenweihe von Ordensfrauen – die nach wie vor erlaubt blieb – wurde im Laufe der Zeit durch die ewige Profess verdrängt, der Ritus aber im Pontifikale durch die Jahrhunderte hindurch tradiert.

Ab Beginn des 20. Jahrhunderts kam der Wunsch nach einer Spendung der Jungfrauenweihe für «Frauen in der Welt» wieder auf. Doch die Religiosenkongregation wies 1927 dieses Ansinnen ab und Pius XII. verbot 1950 eine solche Spendung ausdrücklich.2 In der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde die Überarbeitung des Ritus der Jungfrauenweihe gefordert (vgl. SC 80). Die damit beauftragte Kommission erarbeitete eine Fassung für Ordensfrauen und eine für Frauen, die in der Welt leben. Der erneuerte Ritus wurde von Papst Paul VI. approbiert, am 31. Mai 1970 veröffentlicht und am 6. Januar 1971 in Kraft gesetzt.

Eine «Consecratio», kein Segen

Durch die Jungfrauenweihe werden die Frauen «Christus, dem Sohn Gottes, mystisch anverlobt und für den Dienst der Kirche bestimmt» (CIC 604). Diese bräutliche Liebe beruht auf einer Erwählung und einer Antwort: Die Jungfrau geht einen Bund mit Christus ein und macht sich dabei die Anliegen ihres Bräutigams zu eigen. Diese Anverlobung bedeutet zugleich ein Treueverhältnis, das einmalig und ausschliesslich ist und ihr ganzes Leben prägt. Da gemäss biblischem Verständnis die Braut die rechtmässig angetraute Ehefrau ist, die aber noch nicht heimgeführt wurde, weist die Gottgeweihte Jungfrau zudem auf die noch ausstehende Vollendung hin.

Im Unterschied zu einem Segen für eine bestimmte Aufgabe, z. B. die Abtweihe (benedictio abbatis), bewirkt die «Consecratio virginum», dass die Frau zu einer gottgeweihten Person wird. «Ein Wesenszug der Kirche als ganzer wird durch einzelne ihrer Glieder sichtbar gemacht, auf die Weise der Teilhabe und der Stellvertretung. Deswegen wird diese Lebensform über den persönlichen Rahmen hinaus als eine kirchliche bestätigt, und darum antwortet der Selbstbindung der jeweiligen Frau im Gelübde die ‹Weihe› durch die Kirche.»3 Die Weihe betrifft das ganze Sein einer Gottgeweihten Jungfrau. Aus diesem Sein erwachsen die konkreten Aufgaben jeder Virgo und ihr Glaubenszeugnis kann so in und für die Kirche fruchtbar werden.

Rosmarie Schärer

 

1 Die erste liturgische Quelle ist das «Sacramentarium Veronense» (ca. 6. Jh.). Das darin aufgeführte Weihegebet wird bis heute benutzt.

2 Anuth, Bernhard Sven, Gottgeweihte Jungfrauen in der römisch-katholischen Kirche. Kanonistische Bemerkungen zu einer spezifisch weiblichen Lebensform, in: Güthoff, Elmar / Haering, Stephan (Hg.), Ius quia iustum, Berlin 2015, 573.

3 Schlosser, Marianne, Alt – aber nicht veraltet. Die Jungfrauenweihe als Weg der Christusnachfolge, Sonderdruck der Ordenskorrespondenz 1992, 107.

Gottgeweihte Jungfrauen: «Ausser diesen Formen des geweihten Lebens gibt es den Stand der Jungfrauen, die zum Ausdruck ihres heiligen Vorhabens, Christus in besonders enger Weise nachzufolgen, vom Diözesanbischof nach gebilligtem liturgischem Ritus Gott geweiht, Christus, dem Sohn Gottes, mystisch anverlobt und für den Dienst der Kirche bestimmt werden» (CIC Can 604, § 1). Durch die Spendung der «Consecratio virginum» werden die Virgines in den Stand des «Ordo virginum» aufgenommen. 2019 erschien die Instruktion Ecclesiae Sponsae Imago über die Entwicklung und Gestalt der Jungfrauenweihe. Aktuell leben rund 5000 Gottgeweihte Jungfrauen in der Welt.